An evening with Elizabeth Gilbert - Big Magic: Creative Living Beyond Fear

Letzte Woche Montag Abend war SIE in Köln - the one and only phenomenal Elizabeth Gilbert.

Ich bin, wie so viele andere auch, seit „Eat, Pray, Love“ begeisterter, beeindruckter und inspirierter Fan. Auch „Big Magic“ (erzählendes Sachbuch über Kreativität und ein freies Leben), „City of Girls“ (Roman) und „Das Ja-Wort“ (erzählendes Sachbuch über die Ehe und die Liebe) mochte ich sehr, sehr gerne. Vor allem mag ich ihre Art zu schreiben. So offen, so ehrlich, so weise, so klug, so nachdenklich, so fließend, so modern, so tief, aber auch so frech, witzig, eigenironisch und humorvoll, so verletztlich und authentisch.

Immer wieder von und aus den Socken haut mich Liz Gilbert, wenn sie irgendwo in einem Podcast zu Gast ist und so viele kluge, inspirierende (und oft auch badass-) Ideen,  Gedanken und Erfahrungen preis gibt, die mich immer nachhaltig beschäftigen, bewegen und inspirieren. Spektakulär ihr Interview mit Tim Ferris, in dem es vor allem um Kreativität, Nein-Sagen und Integrität geht. Immer wieder ist sie auch zu Gast in meinem Alltime-Favourite-Podcast „We can do hard things“ von und mit Glennon und Amanda Doyle und Abby Wambach, jede einzelne Folge mit ihr ein Juwel.

Als ich dann mitbekommen habe, dass Liz Gilbert durch Europa tourt („An evening with Elizabeth Gilbert - Big Magic: Creative Living Beyond Fear“) und tatsächlich in Köln auch auftritt, war natürlich klar: Ey, ich muss da hin! Zeitgleich ploppte aber auch ein „Stop, nein!“-Gefühl in mir auf, schlich sich doch in mir eine total bescheuerte und absurde Befürchtung ein, dass ich enttäuscht werden könnte, eine meiner Autorinnen-Rolemodels live und echt und in Farbe zu erleben. Weil, hat man das nicht schon schon mal erlebt, dass man total ernüchtert war, einen Star, ein Idol, live und in echt zu erleben? Ich wollte mir meine Liz-Gilbert-Illusion einfach nicht versauen.

Und was war ich froh, dass ich mich schließlich doch entschieden hatte, hin zu gehen. Ich meine, da ist Elizabeth Gilbert - DIE Elizabeth Gilbert! - in Köln, quasi direkt vor meiner Haustür, und ich hatte allen Ernstes in Erwägung gezogen, ich gehe da nicht hin?! Ja, manchmal ist man echt ein bißchen bescheuert.

Es waren 90 Minuten, die Liz Gilbert da oben auf der Bühne stand im proppevollen großen Saal im Kölner Gürzenich. Von Minute eins bis zum letzten Moment war ich gebannt, beeindruckt, bewegt, berührt, begeistert und fasziniert. Warum?

Liz Gilbert braucht keine Show, sie ist … pur. Und ein Speaking-Pro durch und durch.

Die Bühne ist nackt. Alles ist pur. Keine Deko, keine Leinwand, nur ein bisschen Licht. Auch sonst nichts, was bei Events solcher Art üblich ist: Verkaufstische, Display-Banner, Glitter, Glamour, Neon und lautes, schrilles Bähm-Boom-Blingbling-Wow. Nichts davon. Noch nicht mal Musik. Als es losgeht, wird sie von einem Crew-Mitglied kurz und knackig angekündigt, auch das: Pur. Keine Bombast-Musik, keine Feuerspucker, keine Tänzer oder sonstige Emotional-Pressbetankungs-Methoden - nichts davon.

Und dann kommt Liz Gilbert auf die Bühne. Geht in die Mitte. Und bleibt da stehen. Kein Stuhl, kein Pult. Keine Präsentation, keine Leinwand. Da steht einfach nur Liz Gilbert. Dunkle Cargo-Hose, dunkle Boots, dunkler dicker Pullover, raspelkurze blonde Haare. Kein special fancy Bühnen-Outfit, sondern auch das, pur und simple. Und dann erobert Liz Gilbert das Publikum im Sturm, mit ihrer dunklen, sanften Stimme, empathisch hoch hundert, macht Scherze, lobt Köln (Sie war tagsüber noch im Neptunbad. Ja, genau da, wo man nackig den ganzen Tag rumpimmelt …), lässt alle im Publikum Fotos mit den Handys machen und bittet uns dann alle, total charmant und souverän, die blöden Dinger doch für den Rest des Abends wegzutun, denn die Welt braucht uns die nächsten 60 bis 90 Minuten nicht.

Und schon sind wir auch mitten drin. Denn dann erzählt Liz Gilbert. Und es wirkt, als würde sie alles einfach aus dem Ärmel schütteln und sich gerade erst überlegen. Aber alles ist so gut orchestriert und choreographiert, sie nimmt uns mit in Geschichten, teilt inspirierende Gedanken, sie macht Scherze, es wird gelacht, und dann wird es wieder deep und ernst und nachdenklich und leise, und das alles im Wechsel, wie im Wellenbad. Sie bespielt die ganze Klaviatur nonchalant. Sie ist cool, lässig, souverän, weise, dabei völlig entspannt, liebevoll und empathisch. Und gleichzeitig tritt sie dir mit ihren Ideen und Gedanken rigoros in den Hintern.

Und sie ist so klar, wie sie spricht, jeder Satz sitzt, jede Pause sitzt, kein Rumeiern, keine Ähs, alles on Point. Und nach genau 60 Minuten beendet sie ihre fulminante Speech und ich erblasse endgültig vor Ehrfrucht vor dieser Frau. Sie hatte keinen Zettel, keine Notizen, keine Präsentation, nichts. Sie redete (vermeintlich) einfach drauf los - alles ergänzte sich wunderbar und baute aufeinander auf, kein Satz war zu viel. Und bähm, nach genau 60 Minuten war Schluss. Entweder muss Liz Gilbert diese Speech hunderte Male geübt und einstudiert haben (wonach es sich auch nicht anfühlte), oder sie ist ein Speaking-Genie. Wahrscheinlich beides. Vor allem für mich als Speakerin habe ich in Liz Gilbert eine neue „Benchmark“, ein neues Rolemodel, gefunden. Autorinnen-Fangirl war ich schon. Jetzt ziehe ich auch meinen Speakerinnen-Hut vor ihr.

Was mir auch auffiel: Liz Gilbert bewegte sich nicht. Sie stand auf der Bühne wie ein Fels in der Brandung. Lediglich mit ihren Händen und Armen gestikulierte sie. Aber ihre Beine bewegten sich keinen Millimeter. Auch das wirkte unglaublich souverän. Mir fiel das vor allem deshalb auf, weil ich, wenn ich Vorträge halte, oft viel zu sehr rumzappele, rumlaufe, nicht auf der Stelle stehen bleiben kann. Notiz an mich: Ab sofort bleibst du stehen. Das habe ich direkt bei meinem nächsten Vortrag danach ausprobiert. Und in der Tat war ich viel fokussierter, klarer und konzentrierter.

Die Revolution, die die Welt braucht: Relaxed woman

Und inhaltlich? Ach, ich konnte gar nicht alles mitschreiben. Es war so viel, was Liz Gilbert uns mit auf den Weg gab. Und so viele Fragen, die sie stellte. z.B.

Hast du wirklich keine Zeit, um das zu tun, was du wirklich tun willst? Kannst du wirklich nicht „nein“ zu den falschen Dingen und Menschen sagen?

What the world needs, is not another angry, tough, fierce, powerful, smart, kind, lovely, stressed, worried woman. Was die Welt dringend braucht, sind … relaxed women. Und „relaxed“ hat so gar nichts damit zu tun, dass wir Yoga machen (und teure Lululemons dafür brauchen …), uns eine teure Hot-Stone-Massage gönnen, meditieren, uns ´nen green Smoothie mixen und Morning-Tagebuch schreiben. Weil genau das a) auch nur wieder Zeit und b) vor allem Geld kostet und auch nur wieder eine Industrie ist, Druck ausübt auf uns und wir alles mögliche von außen dafür brauchen. Sondern es geht darum, dass wir in einen Zustand von „relaxed mind“ kommen.

Denn: „The most relaxed person in the room owns the most power and wins.“ Und „urgency and emergency shrinks our brain“. Ja, genau, es ist dasselbe Thema, worüber ich auch in meiner JoinMe-Speech zum Thema „Cortex“ spreche. Was die Welt braucht, sind „calm people who anchor themselves in peace from the inside.“ Denn dann kann er auch im Außen kommen, der Frieden.

Und wie können wir in diesen Zustand des „relaxed minds“ kommen?

Wir brauchen dafür „priorities“, „boundaries“ und auch ein bißchen „mysthicism“.

Prioritäten können wir in the end nur ganz wenige haben. Wir können nicht alles machen, wir können einfach nicht alle Lebensbereiche als Prio setzen (Job, Familie, Beziehung, Freund:innen, Body und Health, Finanzen, Fun, Hobbies etc). Wir sind nicht die Frau aus der Krönung-Light-Werbung, die genau das alles unter einen Hut bekommt, jeden Tag, lächelnd und blendend aussehend. Prio können, ganz ehrlich, nur maximal drei Bereiche sein. Also mal gut drüber nachdenken. Was und wo sind denn wirklich unsere Prioritäten? Und wohin fließt aber unsere Energie und Aufmerksamkeit wirklich?

Wir müssen uns von vermeintlichen Prioritäten, die gar keine sein können, verabschieden. So hart das ist. Wenn Freund:innen keine Prio haben, weil schon andere drei Bereiche besetzt sind, dann können wir eben nicht jede Woche socializen und networken und whatsappen und telefonieren. So what. Wenn Hobbies keine Prio sind, na und. Dann lass es halt. Und macht dir keinen Kopp, dass du keins hast. Kill your darlings.

Wenn Fitness und Gesundheit deine Priorität sind, dann kannst du nicht jedes Wochenende feiern und/oder viel zu oft viel zu viel Alkohol trinken. Und wenn du feiern und oft viel Alkohol trinken willst, dann ist Fitness und Gesundheit sicherlich alles andere als deine Priorität und du lügst dir da nur in die Tasche und machst dir etwas vor. So einfach ist das eigentlich. Heisst auch, wir dürfen und müssen großzügig und gern und im vollen Bewusstsein all das “opfern”, was nicht unseren Prioritäten dient. Du willst klar im Kopf, körperlich fit und gesund und voller Energie sein? Dann “opferst” du gern die wöchentlichen geselligen Runden, die oft zu spät enden und dich dazu verleiten, jedes mal viel zu viel Alkohol zu trinken. Und du dann tagelang danach die negativen Auswirkungen zu spüren bekommst und du dann rumjammerst und dich ärgerst.

Dafür dürfen wir auch lernen, viel öfter „I don´t care“ zu sagen. Und uns nicht für alles verantwortlich zu fühlen. Und FOMO treten wir auch einfach mal schön in den Hintern. Aber dafür kümmern wir uns um das, was uns wirklich absolut wichtig ist und um unsere Prio-Top-Drei. Also, worum „carest du dich wirklich“? Impliziert übrigens auch, auch Menschen zu priorisieren. Mit wem wollen wir wirklich Zeit verbringen? Wer bekommt unsere wertvolle Energie und Aufmerksamkeit? (Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Auch wir sind nicht zwingend in der Prio-Liste unserer Mitmenschen. Und das ist ihr gutes Recht. Also wenn sich jemand nicht so um uns kümmert, wie wir das gerne hätten, lass ihn oder sie. She or he just doesn´t care. Weil er/sie einfach andere Prioritäten hat.

Die boundaries, Grenzen, brauchen wir, um unsere Prioritäten zu schützen und zu beschützen. „Draw a sacred circle around everything you really care about“.

Und dann brauchen wir auch noch „mysthicism“. Wir brauchen die riefe Verbindung zu den Wundern, zu dem Unerklärlichem, zu Gott, zur Liebe, zum Spirit, zum Universum. Die Kategorie. Denn sonst ist unsere Welt kaum zu ertragen. Was das für jede:n genau ist, ist unterschiedlich. Und ja, wir dürfen immer mal wieder das Universum oder wen oder was auch immer, um „guidance from above“ bitten.

Und nein, die gerade gehypten (weil ja, Tada, auch fett Business dahinter steckt …) psychedelic drugs helfen nicht. Sie sind zwar echt nice und verlockend, auch sie hätte all das schon durch und ausprobiert und wäre am liebsten auf Dauertrip, „but I´m done with this.“ Weil auch das nur eine Flucht vor sich selbst ist und man sich darin prima vor dem echten Leben verstecken könnte. If you got the message, hang up the phone.

Im 30minütigen Q&A beantwortete Liz Gilbert drei Fragen aus dem Publikum. Es ging um Liebe, ob es Abkürzungen gibt auf dem Weg zur Erkenntnis, und den Zusammenhang zwischen Hobby, Job, Career und Calling. Auch hier antwortete Liz Gilbert so großartig, klug, witzig und weise.

Liebe: Take care of your own heart, soul and body. Und bürde das niemandem sonst auf.

Abkürzungen? Da lachte Liz Gilbert nur. „Darling, why hurry? You have so much time! Und wir brauchen PATIENCE, STOPPING, SILENCE, SOLITUDE und STILLNESS, denn sie sind die wahre heilsame Medizin für und gegen alles. „If you go slow, you get there faster“. Sie ermutigte uns alle: „Don´t be in such a hurry all the time. Make art, write, take a walk, be in silence, put your phone away, be patient, be alone. This is our connection to god.“

Und dann noch die Sache mit dem Hobby, Job, Karriere und Berufung. Denn auch da machen wir uns doch alle heutzutage viel zu verrückt. Also:

Du kannst ein Hobby haben. Das macht dir einfach Spaß. Und du musst damit kein Geld verdienen. (You care about)

Du kannst einen Job haben. Mit dem verdienst du einfach Geld. Der muss nicht zwingend Spaß machen. (You don´t care about). Denn für den Spaß hast du ja dein Hobby.

Du kannst auch eine Karriere haben. Das ist ein Job, den du liebst, der dir sogar Spaß macht. (You care about)

Und dann gibt es da noch die Berufung. Das ist das „calling“. Das ist etwas, das musst du einfach machen. Das ist kein Hobby. Sondern du musst das tun. Und es ist am Ende auch egal, ob du damit Geld verdienst, denn, du musst es einfach tun.

Und manche Menschen haben halt das Glück, dass sie mit ihrem Calling tatsächlich Money machen. Und die anderen? Don´t worry, relax. Dann mach halt einfach den „Nur-Job“, verdien dein Geld und für den Spaß hast du ein Hobby. Auch voll okay. Das Problem ist nur, dass wir alle heute den Anspruch haben, alles haben zu müssen (ein Job! Ein Hobby! Eine Karriere! Eine Berufung! Spaß! Geld! Erfüllung! Sinn!). Und uns dann wundern, dass wir alle so gestressed und alles andere als relaxed sind.

Nein, ich habe mir meine Liz-Gilbert-Illusion nicht versaut. Im Gegenteil. It was a blast. Und ich bin heilfroh, dass ich meinen skeptischen Hintern zu dieser Masterclass of Pureness, Power, Authentizität, Speaking, Inhalt, Relevanz, Herz, Hirn, Haltung und Humor hinbewegt habe.


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